2019-02-14

#rp19-Speakerin Erika Lust: Die Pornoindustrie muss sich ändern

Erika Lust ist eine erfolgreiche Produzentin und Regisseurin von Indie-Erwachsenenfilmen. Sie macht sexpositives, unabhängiges Erotikkino, in dem sexuelle Intelligenz, realistische Charaktere und realistischer Sex dargestellt werden. 2015 gab Erika ihren viel beachteten TEDx-Talk zur Frage, warum Pornos sich ändern müssen. Erikas bahnbrechendes XConfessions-Projekt ist die erste crowdgesourcte Erotikfilmserie in der Geschichte des Erwachsenenfilms. Jeden Monat wählt sie zwei anonym auf XConfessions.com geteilte Fantasien aus und wandelt sie in fesselnde Kurzfilme um. 

In Erikas Filmen kommt Sex als gesunder und natürlicher Teil des Lebens zum Ausdruck. Sie produziert und finanziert außerdem weibliche Gastregisseurinnen und unterstützt so aufstrebende Talente aus der ganzen Welt. Zentral ist für Erika dabei, dass Frauen auch hinter der Kamera alle Schlüsselpositionen besetzen.

 

tl:dr - 3 Fragen an… Erika Lust

Wir haben Erika Lust Fragen zu ihrem Talk bei der re:publica und zum Status Quo der Pornoindustrie gestellt:

Worum wird es in deinem Talk bei der re:publica gehen?
So wie es große Daten-, Lebensmittel und Pharmakonzerne gibt, gibt es auch große Pornokonzerne, die mehr Gewinn machen als je zuvor. Das ist eine Auswirkung des Internets und der Porno-Streamingseiten auf die Pornoindustrie. Bei der re:publica werde ich im Detail zeigen, wie androzentrisch Pornografie dadurch geworden ist und wie sehr die derzeitige Darstellung von Sex, Sexualität und Frauen von einer männlichen Sichtweise und ihren Idealen geprägt ist.

Die verbreitete Pornografie wird von Jungs aus der Tech-Szene diktiert, statt von Leuten, denen Sex und die Darstellung von Sex wirklich wichtig ist. Pornografie an sich ist keine männliche Erfindung, sondern ein Raum, in dem Menschen ihre Sexualität erforschen können. Und diesen Raum müssen wir uns zurückerobern. Der Diskurs muss sich dringend ändern. Es muss ein Diskurs entstehen, in dem Filmemacher*innen wirklich Verantwortung für das übernehmen, was sie zeigen. Um diesen Diskurs anzustoßen, werde ich meine eigenen Entscheidungen, vor und hinter der Kamera, reflektieren.

Für mich liegt der Schlüssel im Produktionsprozess. Was vor der Kamera passiert, hat so viel mit den Menschen hinter der Kamera zu tun, ihrer Weltsicht und ihren Werten. Diese Weltsicht und Werte wirken sich auf alles aus - von der Storyline zur Darstellung von Lust, Genderrollen und Handlungsfähigkeit, bis hin zur Zusammenarbeit der Beteiligten am Set.

Allerdings müssen unbedingt auch Zuschauer*innen begreifen, dass sie ihre Konsumgewohnheiten ändern müssen. Pornografie ist so allgegenwärtig, dass Konsument*innen immer stärker desensibilisiert werden, was sie auf Streamingseiten eigentlich sehen. Bei der Pornografie, die wir produzieren, der Art, wie wir sie vermarkten, verbreiten und konsumieren, müssen ethische Grundsätze zentral sein. Es muss einen Konsumwandel geben, um unfaire Arbeitsbedingungen, Missbrauch, stärkere Ausbeutung und noch mehr Unsicherheit in der Industrie zu vermeiden. Kostenlose Pornos haben immer ihren Preis.

Künstliche Intelligenz und “DeepFakes” verändern die Pornolandschaft. Stellen diese Entwicklungen eine Bedrohung für die Zukunft ethischer Erwachsenenfilme im Internet dar?
Ein Großteil der Mainstream-Pornografie ist jetzt schon kaum von Computer-Generated Imagery (CGI) zu unterscheiden. Männer werden als körperlose Penisse dargestellt und Frauen werden als der immergleiche Porno-Prototyp gezeigt. DeepFakes hingegen sind unglaublich gefährlich und verschieben die Grenzen der nicht einvernehmlichen Pornografie, “Revenge Porn” und “Fake News”. “DeepFakes” stehen im krassen Widerspruch zu einer Gesellschaft, die so viel wert auf Konsens legt. Es wirkt fast wie eine Art “Backlash” auf die Kultur der Einvernehmlichkeit. “DeepFakes” sind unfassbar einfach herzustellen und Leute fangen jetzt schon an, sie zu benutzen, um gefälschte Pornovideos mit Bildern von Kolleg*innen, Freund*innen und Ex-Freund*innen zu machen, die sie aus deren sozialen Netzwerken nehmen. Diese Entwicklung könnte Mobbing und Cyber-Mobbing auf eine ganz neue Stufe heben.

Eins der Hauptprobleme bei “DeepFakes” ist, dass Frauen nicht zugestimmt haben, dass ihre Gesichter in einem Pornofilm benutzt werden. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Frauen aus Spott oder zur Befriedigung des männlichen Zuschauers zu Sexobjekten reduziert werden. Die Grundlage für diese Entwicklung liegt in der Tendenz, weibliche Stars, Pornodarstellerin und Frauen im Allgemeinen als Ware anzusehen, nicht als “echte” Menschen.

Was das Ganze noch schlimmer macht: Es gibt kein Gesetz, das die Frauen schützt, deren Bilder für “DeepFakes” benutzt werden. Personen des öffentlichen Lebens können auf Missbrauch ihrer Bilder klagen. Für die meisten Menschen ist das nicht möglich. Das liegt daran, dass das Material im Gegensatz eines gestohlenen Nacktbildes nicht echt ist. Und man kann bislang niemanden für die Bloßstellung der eigenen Intimität verklagen, wenn sie nicht dein wahres Leben zeigen.

Die kostenlosen Streamingseiten, die diese “DeepFakes” hosten, sollten mehr Verantwortung übernehmen und “DeepFake-Videos” löschen. Pornhub hat in der Vergangenheit angekündigt, diese Videos zu verbieten. Wenn man aber einmal auf ihre Seite geht, sind “DeepFakes” immer noch so leicht zu finden. Anstatt darauf zu warten, dass Benutzer*innen die Videos suchen und melden, muss Pornhub selbst handeln und die User*innen sperren, die “DeepFakes” hochladen.

tl;dr - die “Must Reads” zu Erika Lust 
Erika Lusts Website

Erika Lust bei Twitter

“It’s Time For Porn to Change” - Erika Lust bei TedxVienna

"Frauen sind keine Objekte" - Erika Lust im Berlinale-Interview im Tagesspiegel