2019-04-20

“Die Digitalisierung kann für einen Aufbruch sorgen” - Bundesumweltministerin Svenja Schulze im Interview

Svenja Schulze

Das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sicherheit (BMU), einer unserer diesjährigen Hauptpartner, arbeitet an einer Fortschrittsagenda zur Digitalisierung, die Mensch und Umwelt in den Mittelpunkt stellt. Die zentralen Thesen und Leitfragen, wesentliche Eckpunkte und ausgewählte Instrumente werden auf der #rp19 erstmals vorgestellt. In der Session "Die neue DNA: Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Action" diskutieren Svenja Schulze, Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Markus Beckedahl und Tilman Santarius die Chancen und Risiken der Digitalisierung für eine nachhaltige Entwicklung. 

Die Diskussionsrunde gibt den Startschuss für einen intensiven Austausch mit Akteur*innen aus Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft – vor Ort mit den Teilnehmer*innen der re:publica und im Anschluss mit der breiten Öffentlichkeit. Schon vor der #rp19 durften wir Svenja Schulze einige Fragen zu ihrem Verständnis von Digitalisierung und Nachhaltigkeit, der “Fridays for Future-Bewegung” und "tl;dr" im Umweltschutz stellen.


Die re:publica ist eine Gesellschaftskonferenz, die verschiedene Aspekte der Digitalisierung behandelt. Wie hängen die Themen Digitalisierung und Nachhaltigkeit zusammen? Kann Digitalisierung zur nachhaltigen Entwicklung beitragen?
 
Die Digitalisierung kann für einen Aufbruch sorgen, der Innovation, gute Arbeit und Nachhaltigkeit miteinander verbindet. Das bringt Fortschritt: Wirtschaftlich und ökologisch! Wir wollen die Digitalisierung gestalten. Im Sinne der Menschen, im Sinne der Gerechtigkeit, im Sinne unserer Umwelt. Wichtig ist, dass Akteure der Nachhaltigkeits- und Techszene miteinander ins Gespräch kommen und wir gemeinsam nach guten Lösungen suchen. Dafür bietet die re:publica den richtigen Rahmen.
 
Das Motto der re:publica 19 ist "tl;dr", Internet-Slang für "too long; didn’t read".  Die Themen Umweltschutz und Klimawandel sind komplex, es kursieren teils widersprüchliche Aussagen und Falschmeldungen. Welches Thema, das Ihnen am Herzen liegt, leidet besonders unter Vereinfachung und Verkürzung?
 
Ein aktuelles Beispiel ist die Diskussion um die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid. Kürzlich haben einige Lungenärzte den gesundheitlichen Nutzen des Jahresmittelwertes infrage gestellt und mit ihren Behauptungen eine breite Debatte ausgelöst. Diese lief in großen Teilen sehr unsachlich. Fakten wurden verdreht, die Menschen verunsichert. Fakt ist: Die aktuellen Grenzwerte beruhen auf einem breiten wissenschaftlichen Konsens, der durch zahlreiche Studien untermauert wird.
 
Das Thema Umweltschutz bewegt verstärkt die junge Generation, von den "Fridays for Future" bis zu den Protesten rund um den Hambacher Forst. Wie kann man die jungen Aktivist*innen so unterstützen, dass ihre Forderungen zu greifbaren Veränderungen führen? Wo ist Ihrer Meinung nach die Politik und wo die Gesellschaft gefragt?
 
Es ist großartig, dass sich in der jungen Generation eine solch breite gesellschaftliche Bewegung formiert hat. Denn die Aktivist*innen haben Recht: Wir können nicht auf Kosten anderer oder der nachkommenden Generationen leben. Wir brauchen einen neuen Generationenvertrag, der den Klimaschutz über die nächsten Jahrzehnte garantiert. Daher nehme ich diesen Protest sehr ernst. Die Politik muss die Rahmenbedingungen so setzen, dass es leichter fällt, sich umweltfreundlich zu verhalten, als der Umwelt zu schaden.
 
Beim Klimaschutz setzen wir oft auf individuelle Maßnahmen wie Stromsparen. Bei den strukturellen Problemen wie Mobilität und Industrie gehen notwendige Veränderungen hingegen nur langsam voran. Mit dem Klimaschutzgesetz wollen Sie die verschiedenen Ressorts stärker in die Verantwortung nehmen. Welche anderen Maßnahmen halten sie neben dem Klimaschutzgesetz für dringend notwendig, um den Klimawandel zu verlangsamen?
 
Das Klimaschutzgesetz bildet den verlässlichen Rahmen, damit wir unsere Klimaschutzziele in Zukunft auch erreichen. Es stimmt aber, dass es darüber hinaus Maßnahmen in allen Bereichen geben muss – also auch beim Verkehr, in Gebäuden, bei der Industrie oder in der Landwirtschaft. Ein konkretes Instrument sollte aus meiner Sicht ein CO2-Preis auf Heiz- und Kraftstoffe sein, der den Umstieg auf klimafreundliche Technologien befördert. Wichtig ist dabei, dass wir Pendler*innen und Mieter*innen nicht übermäßig belasten. Ein solches, sozial ausgewogenes Konzept werde ich in Kürze vorlegen.

 

Wir danken für das Interview!