Kurzthese
Beschreibung
Im Frühjahr 2018 ging Sigi Maurer an einem Craftbeer-Shop in Wien vorbei, wurde dort angepöbelt und erhielt kurze Zeit später extrem erniedrigende, sexualisierte Nachrichten vom Facebook-Account des Bierladenbesitzes. Mangels rechtlicher Alternativen wehrte sie sich indem sie einen Screenshot der Nachrichten inklusive Profil-Namen auf facebook und twitter postete. Die Empörung über die Nachrichten war riesig – auch beim Bierladenbesitzer, er will es nämlich nicht gewesen sein, „irgendjemand“ hätte die Nachrichten geschrieben, sein PC und sein persönliches Facebook-Profil stünde für alle offen. Er verklagte Maurer wegen übler Nachrede und wollte 60.000 Euro Entschädigung. In einem skurrilen Prozess wurde Maurer verurteilt – obwohl der Richter sich sicher war, dass der Kläger lügt (!) kam er zum Schluss, Maurer hätte ihre „journalistische Sorgfaltspflicht“ verletzt – sie hätte vor dem Posten beim Account-Besitz nachfragen müssen, ob dieser die Nachricht denn wirklich verfasst hätte. Dass dieses Urteil absurd war, fand auch das Landesobergericht Wien – mittlerweile wird das Verfahren neu aufgerollt.
Der Fall hat in Österreich eine große Debatte angestoßen, die Solidarität mit Maurer war riesig – eine Crowdfunding-Kampagne für einen Rechtshilfefonds für Betroffene von Hass im Netz spielte innerhalb von 38 Stunden 100.000 Euro ein – zwei Drittel der Spender_innen waren Männer. Ebenso verhielt es sich mit Nachrichten auf sozialen Medien. Was im ersten Moment als Sieg des feministischen Kampfes gegen den Frauenhass wirkt, ist auf den zweiten Blick bestens kompatibel mit patriarchalen Mustern. In ihrem Talk zeigt Maurer anhand von Beispielen, wie viel patriarchale Vorstellungen auch in solidarischen oder solidarisch verstandenen Nachrichten stecken und warum die Solidaritätserklärung zwar gut ist, aber nicht reicht.